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US-Zollpolitik - Strategie, Motivation und aktuelle Ausgangslage für die Schweiz

Blog GOT möchte Themen aufgreifen, die den aktuellen Weltmarkt und betroffene Prozesse innerhalb von Unternehmen beeinflussen. Die Rückkehr zu einer aggressiven Zollpolitik in den USA – nun auch mit Auswirkungen auf die Pharmaindustrie – erzeugt grosse Besorgnis für betroffene Unternehmen. In den letzten Wochen werden fast täglich neue Entscheidungen der US-Regierung in dieser Hinsicht publiziert. In diesem Artikel soll die Motivation hinter der Strategie der USA genauer betrachtet und auf einfacher Basis geschildert werden.


Bild der Flagge der USA
WIX Media: "USA Flagge", www.wix.com

Rückkehr der Protektionismus*-Agenda


Mit Donald Trumps Wiederwahl hat sich der Kurs der US-Handelspolitik deutlich verschärft. Im Zentrum steht eine Strategie der „reciprocal tariffs“** – Zölle, die als Reaktion auf ungleiche Handelsbeziehungen eingeführt werden. Besonders betroffen: Länder mit Handelsüberschüssen gegenüber den USA und solche mit Handelsbarrieren gegen US-Produkte. Ganz im Sinne von Donald Trumps "America first".


Für die Schweiz hat diese Wende bereits wirtschaftliche Folgen. Und mit der jüngsten Eskalation — der möglichen Ausweitung von Zöllen auf Pharmaprodukte — rückt sogar eine ihrer wichtigsten Exportbranchen ins Fadenkreuz.


*Protektionismus: Aussenhandelspolitik

**reciprocal tariffs: reziproke (gegenseitige) Zölle


Strategische Ziele der US-Zollpolitik


Die aktuelle US-Zollstrategie lässt sich auf vier zentrale Ziele herunterbrechen:


  1. Reduktion des Handelsbilanzdefizits

Länder mit einem hohen Exportüberschuss gegenüber den USA — wie die Schweiz — werden als wirtschaftlich unfair wahrgenommen. Die Zölle sollen das Defizit verringern.


  1. Stärkung der US-Industrie

Durch verteuerte Importe sollen US-Unternehmen Wettbewerbsvorteile erhalten und wieder verstärkt im Inland produzieren. So sollen bspw. auch neue Arbeitsplätze entstehen.


  1. Handelspolitische Verhandlungsmacht

Die Zollpolitik dient als Hebel in bilateralen Verhandlungen. Wer den US-Bedingungen nicht entgegenkommt, wird gezielt belastet.


  1. Durchsetzung von Fairness

Das Schlagwort „Reziprozität“ steht für eine Gleichbehandlung: Länder, die hohe Zölle oder nichttarifäre Handelsbarrieren gegen US-Produkte aufrechterhalten, sollen gleich

behandelt werden.


Diese Ziele entsprechen einer wirtschaftspolitischen Neuinterpretation von Protektionismus – unter dem Deckmantel der Gegenseitigkeit.


Umsetzung der „Reciprocal Tariffs“


Im wesentlichen werden länder- und branchenspezifische Zölle eingeführt. Hierbei nimmt sich die Regierung die Freiheit, auch mögliche Branchen von Regelungen auszugrenzen. So war dies bislang bspw. bei Pharma-Produkten der Fall (am 26.09.25 kündigte Donalt Trump an, dass die Zollpolitik per 1. Oktober 2025 auch die Pharmaindustrie betreffen soll, (US-Zollpolitik - Trump kündigt 100-Prozent-Pharmazölle an – Novartis optimistisch - News - SRF ). Bislang erfolgte diese Abgrenzung in erster Linie im Interesse der Bevölkerung, die auf entsprechende Importe angewiesen ist und von Zollerhebungen unmittelbar betroffen wäre. Kurzfristige Preissteigerungen infolge neuer Zölle treffen direkt die Konsumentinnen und Konsumenten – eine Belastung, die sich politisch nur schwer rechtfertigen lässt.


Auf Basis der Handelsbilanzdefizite wurden differenzierte Sätze eingeführt.

Für die Schweiz liegt der aktuelle Satz bei 39 %. Einer der höchsten Werte im Vergleich zu anderen Handelspartner der USA.


Wie funktioniert die Verzollung?


Wenn Waren aus dem Ausland in die USA importiert werden, müssen sie beim US-Zoll (Customs and Border Protection, kurz CBP) angemeldet werden. Dieser Vorgang wird als Verzollung bezeichnet. Dabei prüft der Zoll, welche Ware eingeführt wird, wie hoch deren Wert ist und ob darauf Zölle oder andere Abgaben fällig sind. Die Verantwortung für diesen Prozess trägt in der Regel das importierende Unternehmen mit Sitz in den USA.


Das heisst konkret: Nicht der ausländische Versender, sondern der sogenannte „Importer of Record“ – also meist das US-amerikanische Unternehmen, das die Ware bestellt hat – ist dafür zuständig, die Ware ordnungsgemäss beim Zoll anzumelden und alle anfallenden Gebühren zu bezahlen. Dazu gehören gegebenenfalls der Zoll selbst („Import Duty“), Bearbeitungsgebühren wie die „Merchandise Processing Fee“ (MPF) sowie mögliche Verbrauchssteuern („Excise Tax“) – je nach Art der importierten Ware.


Der Ablauf ist im Grunde immer ähnlich: Bevor die Ware in die USA gelangt, kennt das importierende Unternehmen die wichtigsten Eckdaten – etwa den Warenwert, die genaue Beschreibung der Produkte und den passenden Zolltarif (HS-Code). In vielen Fällen wird ein Spediteur oder ein Zollagent beauftragt, die formale Zollanmeldung durchzuführen.


Sobald die Ware in den USA eintrifft, prüft der Zoll die Unterlagen und berechnet die fälligen Abgaben. Erst wenn diese bezahlt wurden, wird die Ware zur Einfuhr freigegeben und kann an ihren Bestimmungsort weitertransportiert werden.


Die Verzollung ist also nicht nur ein gesetzlich vorgeschriebener Schritt, sondern auch eine wichtige Aufgabe innerhalb der Lieferkette. Unternehmen, die regelmäßig Waren in die USA importieren, sollten sich gut mit den zollrechtlichen Anforderungen auskennen oder erfahrene Partner einbinden, um Verzögerungen oder zusätzliche Kosten zu vermeiden.


Ergänzend gesagt: Erhobene Zölle betreffen in erster Linie die Unternehmen mit Sitz USA, die entsprechende Ware importieren möchte und dafür Zollgebühren an den Staat bezahlen müssen. Indirekt kalkulieren diese Unternehmen natürlich vorab, wie diese Verzollung somit Einfluss auf ihre Beschaffung nimmt. Die ausländischen Unternehmen, welche die Ware an diese Unternehmen vertreiben möchten, verlieren somit an Konkurrenzfähigkeit.


Makroökonomische* Auswirkungen


Für die Schweiz:


  • Die Exportlastige Wirtschaft ist besonders gefährdet.

    Die Schweiz erzielt über 40 % ihres BIP mit Exporten. Die USA sind einer der wichtigsten Handelspartner.


  • ETH-KOF**-Schätzungen gehen von einem potenziellen BIP-Rückgang von 0,3 % bis 0,6 % pro Jahr aus – allein durch die bestehenden Zölle (ohne Pharma).


  • Investitions- und Standortrisiken steigen – insbesondere für KMU und Industriecluster mit starker USA-Ausrichtung.


Für die USA:


  • Kurzfristige Vorteile für US-Hersteller, insbesondere in Sektoren mit starker Importkonkurrenz. Langfristig steigen jedoch Produktionskosten und Konsumentenpreise, da viele Importgüter auch schwer ersetzbar sind.


  • Inflationärer Druck und politische Spannungen mit Handelspartnern könnten den US-Markt destabilisieren.


  • Je nach betroffenem Produkt, trifft die von der Verzollung ausgelösten Preiserhöhung den direkten Konsumenten. Bspw. bei Produkten aus dem Gesundheitsbereich, lässt sich dies nur schwer politisch rechtfertigen. Man ist schlicht auf die ausländischen Produkte angewiesen.


*Makroökonomie: Ein Teilbereich der Wirtschaftswissenschaften, der sich mit dem Verhalten und den Auswirkungen gesamtwirtschaftlicher Phänomene und grosser Wirtschaftsaggregate wie dem Bruttoinlandsprodukt, der Arbeitslosenquote, der Inflation und den Zinssätzen befasst.

**ETH-KOF: Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. Sie erbringt für die Wirtschaft, die öffentliche Hand sowie Privatpersonen wissenschaftlich fundierte und unabhängige Forschung und diskutiert volkswirtschaftliche Fragen von gesellschaftlicher Relevanz.


Branchenspezifische Folgen für die Schweiz


Die Auswirkungen des 39 %-Zusatzzolls betreffen vor allem:

  • Maschinenbau & Präzisionsinstrumente

  • Uhrenindustrie

  • Landwirtschaftliche Produkte & Nahrungsmittel (z. B. Käse, Schokolade)

  • Allgemein insbesondere KMU's mit starkem USA-Fokus


Rund 60 % der Schweizer Exporte in die USA sind direkt betroffen (exkl. Pharma). Firmen müssen Preisstrategien anpassen, Margen reduzieren oder logistische Alternativen prüfen.

Produktionsverlagerungen in den US-Markt sind mittelfristig eine Option – jedoch mit hohen Einstiegsbarrieren und regulatorischem Aufwand verbunden.


Die Sonderrolle der Pharmaindustrie – und ihr mögliches Ende


Bisherige Ausnahme


Die Schweizer Pharmaindustrie, angeführt von Konzernen wie Roche und Novartis, war bisher ausgenommen von den neuen US-Zöllen – unter anderem wegen der hohen Bedeutung für den US-Gesundheitsmarkt.


Neue Entwicklung: Drohende Ausweitung


Gemäss einer neuen Kommunikation des US-Präsidenten zieht die US-Regierung nun auch Pharmaprodukte ins Visier. In wie fern die Schweizer Grossunternehmen Roche und Novartis hiervon betroffen sein könnten, ist noch unklar. Je nach eintretendem Szenario könnten die Folgen gravierend sein.


Handlungsspielräume und politische Optionen


Schweizer Regierung:


  • Verhandlungen mit den USA sind im Gange, insbesondere über sektorielle Ausnahmen oder Kompensationen.

  • Bisher keine Gegenmassnahmen – auch aus Sorge vor Eskalation oder Schäden für Konsumenten.


Wirtschaft & Verbände:


  • Wirtschaftsverbände wie economiesuisse oder scienceindustries fordern eine aktivere Aussenhandelspolitik und gezielte Absicherung von Schlüsselbranchen.


Strategische Optionen:


  • Neue Handelsabkommen oder ein Freihandelsvertrag mit den USA könnten mittelfristig Klarheit schaffen.

  • Diversifikation der Exportmärkte und Produktionsverlagerungen sind unternehmensstrategisch denkbar – aber mit Aufwand und Unsicherheiten verbunden.


Eine aggressive Handelspolitik seitens USA mit hohem Risiko


Die US-Zollpolitik unter Trump hat eine neue Dynamik erreicht. Wirtschaftlich selektiv, strategisch begründet. Aber hochriskant und auch fahrlässig.

Es ist sehr umstritten, wie erfolgreich diese Strategie kurz-, mittel- und langfristig für die Wirtschaft der USA sein wird. Derzeit ist unklar in wie weit diese Strategie weiter fortgesetzt, ausgeweitet oder beibehalten wird.


Für die Schweiz ist die Lage ernst. Insbesondere für Unternehmen, die direkt von den neuen Regelungen betroffen sind. Die hohen Zusatzzölle gefährden zentrale Industriezweige, und mit der drohenden Ausweitung auf die Pharmaindustrie steht sogar der wichtigste Exportsektor unter Druck.


Quellen und weitergehende Literatur











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